Eure Bewerbungsgespräche sind „08/15“ und zu steif? Sie spiegeln nicht euere tägliche Arbeit wider? Ihr braucht Ideen, wie das ganze Team die Bewerberin kennenlernen kann? Dann bist du hier genau richtig, denn wir haben unsere Bewerbungsgespräche agilisiert.

Wie sieht ein klassisches Bewerbungsgespräch aus?

Bevor wir uns den Ablauf eines agileren Bewerbungsgespräches anschauen, sollten wir erst einmal einen Blick darauf werfen, wie ein „klassisches“ Bewerbungsgespräch aussieht. Meist findet das Gespräch mit dem Vorgesetzten und jemandem aus dem HR-Bereich statt. Diese Personen sitzen in der Regel der Bewerberin an einem Tisch gegenüber, was eine sehr förmliche Atmosphäre schafft. Ein großer Fokus wird dann auf den Lebenslauf, Zeugnisse und Zertifikate gelegt. Es werden überwiegend Fragen gestellt, die die Bewerberin in eine ungemütliche Lage bringen (z.B. „Was sind Ihre Schwächen?“, „Warum sollen wir Sie einstellen“, …) und deren fachliche Eignung „testen“.

Die Entscheidung zur Einstellung wird vom Vorgesetzten in Zusammenarbeit mit HR getroffen, das Team bekommt das neue Teammitglied erst zu Gesicht, wenn es eingestellt ist. Es wird also wenig darauf geachtet, ob die Person zum Team passt. Umgekehrt bekommt auch die Bewerberin keinen Eindruck davon, wie das Team zusammenarbeitet und ob dies ihren Vorstellungen und Wünschen entspricht. Uns sind sogar Fälle bekannt, in denen das Team die Bewerberin zwar im Vorfeld kennenlernen durfte, die Meinung des Teams aber unerheblich für die Einstellungsentscheidung war.

So läuft ein Bewerbungsgespräch bei ValueRise ab

Wir empfinden das klassische Bewerbungsgespräch als unpassend und haben den Flow daher umgestellt. Auf die Bewerbung folgt bei uns ein Telefonat, das eine Person aus unserem Team mit der Bewerberin führt. Hier geht es uns darum, die Bewerberin kennenzulernen und gemeinsam herauszufinden, ob die Vorstellungen zusammenpassen. Wenn dies der Fall ist, wird im Anschluss ein gemeinsamer Termin mit dem gesamten Team gesucht.

Die häufigste Frage, die ich gestellt bekomme, wenn es darum geht, dass unsere Bewerberinnen das ganze Team kennenlernen, ist: „Fühlt sich die Person dann nicht wie in einem Verhör, wenn ihr so viele Menschen gegenübersitzen?“

Nein. Meine Antwort darauf lautet, dass es uns darum geht, die Person kennenzulernen und nicht bloßzustellen. Natürlich geht es auch darum, herauszufinden, was die Person an Wissen und Qualitäten mitbringt, im Fokus des Gesprächs steht aber die Frage, ob wir zueinander passen.

Die meisten Bewerberinnen sind positiv von dem ausführlichen und ehrlichen Feedback überrascht, das sie bekommen und schätzen dies wert. So nimmt man immer etwas mit – egal, wohin das Gespräch führt. Uns ist wichtig, dass das Feedback auf Augenhöhe, wertschätzend und offen ist.

Auch bei einigen Kunden haben wir etabliert, dass Bewerberinnen im zweiten Gespräch des Bewerbungsprozesses zumindest einen Teil des Teams kennenlernen und haben damit sehr positive Erfahrungen gemacht.

Unsere 5 Tipps für ein „agileres“ Bewerbungsgespräch

  1. Schafft eine lockere Atmosphäre
    Die Bewerberin wird im ersten Moment erschlagen sein, wenn sie mehrere Personen auf einmal kennenlernt. Sorgt dafür, dass sie sich wohlfühlt. Bietet ihr etwas zu trinken an. Setzt euch auf keinen Fall gegenüber an einen Tisch, sondern bildet einen Stuhlkreis oder setzt euch gemeinsam um den Tisch.
  2. Lernt euch kennen
    In unserem Fall sind wir mit unseren Bewerberinnen per Du, das lockert die Stimmung von vornherein. Gebt der Bewerberin die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie sich zuerst vorstellt, oder ob ihr euch / das Unternehmen zuerst vorstellen sollt. Die Vorstellung beinhaltet auch private Themen, beispielsweise Hobbies, Familie usw. Dass hier jeder etwas von sich preisgibt, trägt zudem zur Lockerheit und Offenheit des Gesprächs bei.
  3. Raum für Fragen
    Während des Kennenlernens und im Anschluss solltet ihr genug Zeit für Fragen in beide Richtungen einplanen. Gebt insbesondere der Bewerberin genügend Raum, auch spontanen Fragen und Gemütslagen nachzugehen.
  4. Fallbeispiel / Aufgabe
    Wir geben unseren Bewerberinnen im Vorfeld ein Fallbeispiel bzw. eine Aufgabe mit. Dies kann beispielsweise ein agiles Konzept sein, das die Bewerberin selbst wählt und uns in fünf bis zehn Minuten vermitteln soll. So bekommen wir direkt einen Eindruck davon, wie Probleme angegangen und Themen vorbereitet werden. Außerdem erhalten wir einen Einblick, wie die Bewerberin in einer für unseren Job typischen Situation performt. Wir legen Wert darauf, dass die Bewerberin sich hierauf vorbereiten kann, um den Druck seitens der Bewerberin zu reduzieren.
  5. Feedback
    Zum Abschluss des Gesprächs bekommt die Bewerberin einen separaten Raum, während wir uns Gedanken zum Feedback machen. Dieses wird dann offen mit der Bewerberin geteilt. Auch hier ist es wichtig, der Bewerberin die Möglichkeit zu geben, auf unser Feedback einzugehen und beispielsweise zu äußern, wenn sie glaubt, Teile unseres Feedbacks würden auf Missverständnissen basieren. Je nachdem, ob es eine Direktzusage gibt oder ggf. noch andere Bewerberinnen in der Pipeline stehen, erläutern wir das weitere Vorgehen. Aber egal, wie es weiter geht: Uns ist es wichtig, dass unser Feedback wertschätzend und wertvoll für die Bewerberin ist.

Übrigens sind alle Tipps unabhängig davon, ob das Gespräch vor Ort oder remote stattfindet. Vor Ort arbeiten wir mit Klebezetteln, remote mit einem Besprechungstool (z.B. MS Teams) und einem Online-Whiteboard (z.B. Mural).

Die Entscheidungsfindung

Nicht zu vergessen ist auch, dass im Vorfeld geklärt werden muss, wie über eine Zu- oder Absage entschieden wird. Wir nutzen dafür zwei Skalenabfragen, die wie folgt aussehen:

Mit dem Kreisdiagramm vermeiden wir eine direkte ja/nein Abfrage, da ein deutliches Nein oftmals schwer zu formulieren ist. Unserer Erfahrung nach ist alles unter 50 % ein Nein, zwischen 50 und 75 % müssen wir sprechen, woran es liegt. Alles über 75 % ist in der Regel ein „ja“. In diesem Beispiel seht ihr, dass alle vier Kreuze im Bereich über 75 % liegen, dies ist also ein klares „Ja“ für die Bewerberin.

Mit der zweiten Skala klären wir, ob unsere fachliche Vorstellung für die ausgeschriebene Stelle und zu der Gehaltsvorstellung der Bewerberin passt. Auch hier sind die Kreuze im Beispiel so gesetzt, dass es passt. Übrigens machen wir unsere Kreuze komplett unabhängig voneinander, ohne die Kreuze der anderen zu sehen, um uns nicht gegenseitig zu beeinflussen.

Zusätzlich zu den Skalen schreiben wir freies Feedback auf, das die Bewerberin zum Abschluss des Gesprächs erhält. So kann sie auch Rückfragen stellen und besser verstehen, was wir ihr vermitteln wollen.

Zudem ist vor dem Gespräch auch zu klären, wer über eine Einstellung entscheidet. In unserem Fall hat jeder im Team ein Veto-Recht, einschließlich des Geschäftsführers. So entscheiden wir also gemeinsam über eine Zusage, während dies in klassischen Gesprächen zumeist nur der Chef tut.

Bei einem unserer Kunden wird die Entscheidung anders getroffen. Hier wurde mittels Delegation Board (Management 3.0) entschieden, dass der Teamleiter sein Team um Rat fragt, aber die finale Entscheidung bei ihm liegt (3: consult/befragen). Auch das funktioniert gut, insbesondere wenn das Team die volle Verantwortung noch nicht tragen möchte oder kann.

Zuletzt ist noch zu sagen, dass unsere Werte, die wir als ValueRise leben, auch im Bewerbungsgespräch eine wichtige Rolle spielen. Denn wir schauen explizit darauf, dass unsere Bewerberin zu unseren Werten passt und wir in dem Gespräch unsere Werte selbst aktiv leben. Unsere Werte sind:

Fazit

Ihr seht also, uns sind Lebensläufe, Zeugnisse und Zertifikate nicht wichtig – es geht uns in erster Linie darum, den Menschen hinter der Bewerbung kennenzulernen. Dabei legen wir Wert auf eine gemeinsame Augenhöhe, Offenheit, Wertschätzung und Respekt. Außerdem wollen wir als Team gemeinsam über Neuzugänge entscheiden und diesen wichtigen Beschluss nicht an einen Chef oder HR delegieren.

Es gibt viele weitere Möglichkeiten, das Bewerbungsgespräch agiler zu gestalten – seid kreativ und inspiziert eure Ergebnisse. Uns hilft das Feedback der Bewerberinnen, um unseren Prozess zu hinterfragen und anzupassen. So wollen wir uns auch hier ständig weiterentwickeln.

Falls du dich zu dem Thema austauschen möchtest, melde dich gerne bei uns. Oder bewirb dich einfach direkt.

Disclaimer: Wir haben hier die generische weibliche Form genutzt, diese schließt alle Geschlechter ein.