Wir haben ein neues Artefakt im Repertoire – die erste Version unseres Culture Books. Ein Culture Book zeigt in komprimierter Form, wofür ein Unternehmen oder Team wirklich steht – so auch bei uns. Das Culture Book ist eine Praxis aus dem Management 3.0 und entsteht durch die gemeinsame Arbeit der Mitarbeiter. Das erhöht zum einen den internen Identifikationsfaktor und führt zum anderen zu einer hohen Authentizität der Stories im Culture Book. Grundsätzlich enthalten Culture Books Werte, Erklärungen dazu und Beispiele der (meist erfolgreichen) Anwendung aus dem Teamalltag. Das Ergebnis kann dann vom Team grafisch aufbereitet und verteilt werden.

Aber wozu braucht man eigentlich ein Culture Book und wie kann man es erstellen? Diese Fragen möchten wir am Beispiel der Entstehung unseres eigenen Culture Books beantworten. Dazu nehmen wir euch mit auf unsere Reise und teilen unsere Learnings, praktischen Tipps und Schwierigkeiten. So könnt ihr am Ende selbst entscheiden, ob auch ihr euch mit eurem Culture Book befassen möchtet.

Ausgangspunkt – Wozu wollen wir ein Culture Book entwerfen?

Als ein Teamkollege mit der Idee an die übrigen Kollegen herantrat, ein Culture Book zu entwerfen, stieß dies zunächst nicht auf besonders viel Begeisterung. Stattdessen wurde die Frage gestellt, wozu ein Culture Book eigentlich benötigt wird. Schließlich dient es keinem Selbstzweck und soll nicht zu einer Marketingbroschüre verkommen, die einer beliebigen Zielgruppe zeigt, wie toll ein Unternehmen ist. In so einem Fall verfehlt das Culture Book seinen eigentlichen Zweck und ist nicht authentisch.

Als wir uns nun mit der Frage nach dem Zweck unseres Culture Books befasst haben, fiel uns auf, dass wir schwierige Fragestellungen häufig beantworten, indem wir unsere Haltung zu der Fragestellung hinterfragen. Dabei konnte es beispielsweise um die gemeinsame Erarbeitung unserer Vision gehen oder die Frage danach, welche Art Aufträge wir akzeptieren und welche nicht. Die Antworten auf diese Fragestellungen waren dann stark an das Ergebnis unserer gemeinsamen Haltung geknüpft.

Unser Culture Book soll uns entsprechend helfen, solche schwierigen Fragestellungen künftig noch leichter zu beantworten, indem wir sehr genau wissen, wofür wir eigentlich stehen. Die Hauptzielgruppe des Artefakts sind demnach wir selbst. Das Culture Book gibt uns Orientierung, verankert unsere Werte in den Köpfen und macht sie so handlungsleitend. Gleichzeitig spricht für uns nichts dagegen, Interessenten wie Bewerbern oder Kunden an unserer Perspektive teilhaben zu lassen.

Der Weg zum Culture Book – Starte mit den Werten

Wie kommt man nun zu einem Culture Book und was steht drin? Uns war von Anfang an klar, dass ein Culture Book tiefe Einblicke geben soll und deutlich macht, wie wir ticken. Um dahin zu kommen, haben wir bei unseren Werten begonnen, denn diese bestimmen unser Handeln. Allerdings lebt jeder von uns Werte, ob sie uns nun bewusst sind oder nicht. Unsere persönlichen Werte herauszuarbeiten und miteinander zu teilen war entsprechend der erste Schritt auf dem Weg zum Culture Book. In unserem Fall war dieser Schritt recht leicht, weil jeder Einzelne sich seiner persönlichen Werte schon bewusst war. Eine kleine Übung zur Abstraktion dieser Werte hat daher gereicht. Wenn ihr eure persönlichen Werte erst noch herausfinden müsst, empfehlen wir euch, diese in Coaching-Sessions oder einem Werte-Workshop auszuarbeiten.

Von unseren individuellen Werten ausgehend haben wir uns im zweiten Schritt mit unseren Teamwerten beschäftigt. Dabei stand die Frage im Zentrum, was uns in unserer Zusammenarbeit besonders wichtig ist und uns auszeichnet. Um dies herauszufinden, haben wir uns in kleine Gruppen aufgeteilt und mehrere Perspektiven zugelassen. So entstanden zunächst viele Werte, die wir auf Überschneidungen und Gemeinsamkeiten geprüft haben. Am Ende der Übung stand eine erste Selektion von sieben Werten, die uns wichtig sind: Vertrauen, Hilfsbereitschaft, Freiheit, Offenheit, ständiges Lernen, Begeisterung und Exzellenz.

Im dritten Schritt haben wir diese sieben Werte in einen Team-Workshop mitgenommen, um sie mit erlebbaren Beispielen zu belegen und für jeden dieser Werte einen markigen Leitsatz herauszuarbeiten. Wiederum in Teams und in Form eines Gallery-Walks haben wir jeden Wert ausgeschmückt und für uns beantwortet, was diesen Wert ausmacht und wie wir ihn jeweils leben. Außerdem haben wir noch einmal betrachtet, wie diese Werte eigentlich zueinander in Beziehung stehen. Das Ergebnis findet ihr auf dem Bild unten – und es zeigt, dass die Werte als solche nur im Zusammenspiel wirklich aufgehen.

Während dieser Übung ist uns außerdem klar geworden, dass wir unsere Werte reduzieren können. Vor allem zwischen ständigem Lernen und Exzellenz sowie Offenheit und Freiheit haben wir sehr große Überschneidungen entdeckt. Entsprechend haben wir ständiges Lernen und Offenheit für uns herausgestrichen, da ständiges Lernen für uns einen Part von Exzellenz darstellt und Offenheit in Hilfsbereitschaft, Vertrauen und Freiheit aufgeht. Übrigens hat dieser Prozess nur knapp zwei Stunden lang gedauert und am Ende standen unsere fünf Teamwerte, deren Leitsätze und erste Beispiele.

Auf diese Weise haben wir zum Beispiel den Teamwert „Vertrauen“ gewählt. Darunter versteht aber jeder Mensch etwas anderes. Nach einem spannenden Meinungsaustausch haben wir uns letztendlich auf diese Definition geeinigt: „Vertrauen leben wir, indem wir uns offen und ehrlich Feedback geben, Privates teilen und uns Hilfe holen.“

Sowohl wir selbst als auch neue Mitarbeiter haben so ein ähnliches Verständnis davon, was wir meinen, wenn wir von Vertrauen sprechen. Allerdings sind immer noch unterschiedliche Interpretationen möglich. Was ist zum Beispiel damit gemeint, dass wir „Privates teilen“? Um das noch greifbarer zu machen haben wir Beispiele gesammelt und einige, die wir alle treffend fanden, für das Culture Book ausgewählt. Herausgekommen sind:

  • Laura: „Egal, was bei mir privat abgeht, ich teile es gerne mit meinem Team. Dann wissen sie, was mich beschäftigt und warum ich heute vielleicht abgelenkter / angespannter / sensibler bin als sonst.“
  • Uwe: „Wir wissen, dass wir Dinge ausprobieren und Fehler machen können. Es fällt mir auch nicht schwer, einen Rückschlag oder Misserfolg zu teilen, im Team werden wir darüber reden, wie wir aus der Situation etwas Positives ziehen oder sie wieder ändern.“
  • Sven: „Wir wissen, dass jeder von uns im Sinne des Teams handelt.“

Neue Mitarbeiter können einerseits erfahren, was wir unter „Vertrauen“ verstehen. Andererseits können sie perspektivisch eigene Beispiele teilen und ergänzen. So wächst unser Verständnis füreinander und miteinander.

Wenn ihr nun ebenfalls zu euren Teamwerten kommen und diese ausschmücken möchtet, haben wir aus unserer Erfahrung heraus folgende fünf Tipps:

  1. Startet bei den persönlichen Werten: Jeder Mensch hat persönliche Werte, es ist entsprechend wichtig, sich diese bewusst zu machen und sie bei der Ableitung von Teamwerten zu berücksichtigen. Individuelle Werte dürfen Teamwerten nicht entgegenstehen, damit eure Teamwerte wirklich greifen können.
  2. Ermittelt gemeinsame Teamwerte: Stellt fest, was euch in eurer gemeinsamen Zusammenarbeit besonders wichtig ist und was euch auszeichnet. Dabei gibt es kein richtig oder falsch, sondern es kommt darauf an, dass ihr Teamwerte mit einem hohen Identifikationsgrad entdeckt.
  3. Belegt eure Werte mit Beispielen: Beschäftigt euch mit der Frage, wie sich eure identifizierten Werte im Alltag zeigen. Woran macht ihr fest, dass ihr diese Werte wirklich lebt? Jedem von euch sollte es leichtfallen, Beispiele zu finden und sich mit diesen auch zu identifizieren.
  4. Leitsätze ableiten: Blickt auf eure Beispiele und versucht sie in einem markanten Leitsatz zusammenzufassen, der euch allen gefällt. Das kann etwas dauern und braucht die ein- oder andere Iteration. Am Ende sollten Sätze stehen, die euch wirklich ziehen – mit denen ihr euch also identifiziert.
  5. Prüft Überschneidungen und Möglichkeiten der Reduktion: Betrachtet nochmal all eure Werte, Beispiele und Leitsätze sowie ihr Zusammenspiel. Habt ihr das Gefühl, dass einige Werte ineinander aufgehen oder manche Werte schlicht wichtiger für euch sind als andere? Dann reduziert und seid hierbei mutig. Wenige Werte, deren Leitsätze und Beispiele stark sind, sind leichter zu merken als viele schwammige Werte und Beschreibungen. Euch fällt es dann leichter zu wissen, wofür ihr wirklich steht.

Der Weg zum Culture Book – eine erste Darstellung

Nachdem wir nun unsere Teamwerte, Leitsätze und Beispiele gefunden hatten, ging es darum, diese in eine erste Darstellung zu überführen. Auch diese Darstellung eines Culture Books hat eine gewisse Relevanz – schließlich soll jeder Teamkollege das Buch gerne in die Hände nehmen. Allerdings hatte niemand von uns Erfahrung in der Erstellung eines solchen Artefakts, weshalb wir am Anfang ein wenig Zeit gebraucht haben, um eine eigene Vorstellung zu entwickeln. Dabei hat uns ein Textverarbeitungsprogramm geholfen, in dem wir Bilder und Texte munter hin- und hergeschoben haben. Als wir dann wussten, welche Bilder und Texte wir auf welcher Seite sehen wollten, hat ein begabtes Teammitglied sich noch um die Details gekümmert und wir haben eine erste kleine Charge der Culture Books drucken lassen. Selbstverständlich waren dort noch einige Bugs enthalten. Das physisch gedruckte Buch half aber, diese schnell zu identifizieren und zu korrigieren. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt hatten wir auch genug Klarheit, um unsere Webseite anzupassen. Wie gefällt dir das Ergebnis?

Schwierigkeiten auf dem Weg

Die Auseinandersetzung mit Teamwerten kann durchaus herausfordernd sein. Das gilt umso mehr, je größer die Erwartung ist, die definierten Werte hinterher auch wirklich im Alltag zu leben. Bei uns war diese Erwartungshaltung von Anfang an weit verbreitet, denn wir alle wollen wertebasiert arbeiten. Wir glauben, dass uns dies dabei hilft, Sinn in unserer Arbeit zu finden und zu vermitteln.

Schon vor einiger Zeit haben wir uns mit unseren persönlichen Werten beschäftigt. Jeder für sich und jeder auf seine Weise. Das hat dazu geführt, dass jedes Teammitglied ein unterschiedlich großes Maß an Klarheit über sich selbst hatte. Vor dem Start des ersten Culture-Book-Workshops wurde uns klar, dass dieser nur erfolgreich sein würde, wenn wir bei allen ein gleiches Mindestniveau an Klarheit erreichten. Zum Glück hatten wir das rechtzeitig identifiziert und konnten die Lücken über ein paar Coaching-Sessions schließen.

Damit hatten wir aber noch lange nicht alle Probleme gelöst. Das Finden von gemeinsamen Teamwerten stellte die nächste Herausforderung dar. Hierbei war es uns wichtig, dass die Teamwerte mit den persönlichen Werten zumindest nicht in Konflikt standen. Es zeigte sich jedoch, dass wir alle sehr unterschiedliche Definitionen, Interpretationen und Erfahrungen mit den gesammelten Begriffen verbanden. Zunächst erschien es so, als hätten wir teilweise große Diskrepanzen. Umso überraschter waren wir, als wir in der Diskussion feststellten, dass wir zwar unterschiedliche Perspektiven hatten, aber inhaltlich doch sehr nah beieinander waren. Was uns hier geholfen hat, war aufmerksames Zuhören. Statt zu versuchen, die anderen Personen von der eigenen Sicht zu überzeugen, fokussierten wir uns darauf, die anderen Personen wirklich zu verstehen. Das führte dazu, dass wir keinen Bedarf mehr hatten, „Recht“ zu haben, denn die Empathie und Wertschätzung für andere Positionen half uns, schnell zu einem gemeinsamen Standpunkt zu finden. Wir hatten aber Glück: Es kann durchaus sein, dass die Werte einzelner Teammitglieder so stark voneinander abweichen, dass keine Einigung erzielt werden kann. Einen solch krassen Fall haben wir zwar noch nicht erlebt, halten ihn jedoch insbesondere dann für wahrscheinlich, wenn bei der Einstellung neuer Kollegen nicht darauf geachtet wird, welche Werte ihnen wichtig sind.

Als die sieben gemeinsamen Teamwerte in unserem Team identifiziert waren, stießen wir auf das nächste Problem: Die Anzahl war zu groß, um sie sich alle zu merken. Das wiederum reduzierte ihre Relevanz. Gleichzeitig verbanden wir aber auch alle Emotionen mit diesen Werten und wollten nicht auf sie verzichten. Die Vorstellung, sie „wegzuwerfen“ führte daher zu teils starken Reaktionen. Erst als wir erkannten, dass sie inhaltlich ineinander aufgingen und wir sie nicht zerstörten, sondern nur verschmolzen, entstand Akzeptanz.

Eine letzte Schwierigkeit stellte sich uns, als es darum ging, unsere Ergebnisse in einem Culture Book darzustellen. Wiederum trafen völlig unterschiedliche Perspektiven darauf, wie unser Culture Book aussehen sollte und welchen Gütekriterien dies genügen sollte aufeinander. Wie schon bei den individuellen Werten half es uns, unseren Perspektiven Raum zu geben. Diesmal nahmen wir uns die Zeit, dass jeder einen kleinen Prototypen des Culture Books entwarf und diesen den anderen vorstellte. In einer gemeinsamen Session ließen wir uns von unseren Ideen gegenseitig inspirieren, entwickelten das ein oder andere Element weiter und es fiel uns plötzlich leicht, zu einer gemeinsamen Darstellung zu kommen. Auf diese Weise entstand beispielsweise die aktuelle Darstellung unserer Werte. Hierbei hat es uns außerdem geholfen, die Darstellung eines physischen Buches von einer Web-Darstellung strikt zu trennen. Erst als wir die ersten gedruckten Culture Books hatten, beschäftigten wir uns mit einer Übertragung auf die Website.

Fazit

Uns hat die gemeinsame Reise zum Culture Book Spaß gemacht. Wir kennen uns jetzt noch besser und haben fünf Teamwerte, unter denen wir alle das Gleiche verstehen und die handlungsleitend für uns sind. Das hat sich sofort in unserer täglichen Arbeit bemerkbar gemacht, weil wir nicht nur unsere Entscheidungen gegen diese Werte abgleichen, sondern auch unsere Handlungen reflektieren. So haben wir zum Beispiel zwei Awards gewonnen und uns darüber gefreut. Begeistert haben wir das auf LinkedIn geteilt – und dabei zwar Begeisterung und Exzellenz ausgestrahlt, aber Vertrauen, Freiheit und Hilfsbereitschaft vernachlässigt. Als uns das aufgefallen ist, haben wir sofort reagiert und die Art und Weise, wie neue LinkedIn-Posts geschrieben werden, geändert. Schließlich wollen wir uns von allen Seiten zeigen und nicht nur aus einer singulären Perspektive.

Zum Schluss haben wir noch einen Tipp für euch. Denkt daran, dass es bei einem Culture Book nicht wirklich um das physische Artefakt geht, sondern um die gemeinsame Erstellung und die Werte. Der Weg ist also das eigentlich Wichtige. Wir empfehlen euch, es einfach mal mit eurem Team auszuprobieren. Findet eure Werte, definiert sie, sucht nach Beispielen. Schreibt all das in einer leicht zugänglichen Form auf. Erst dann solltet ihr entscheiden, ob ihr das Culture Book auch als Artefakt für euer Team oder andere Personenkreise zugänglich machen wollt. Es erleichtert die Arbeit, wenn man sich nicht von Anfang an beschränken muss, weil man Sorge hat, dass bestimmte Informationen ihren Weg ins Chefbüro oder das Internet finden… So werdet ihr viel übereinander lernen und euch als Team weiterentwickeln.