Was ist die richtige agile Methode für dein Team? Immer wieder treffen wir in unserer Beratungspraxis auf Unternehmen, die eine spezifische Methode (meist Scrum) eingeführt haben, ohne zuvor zu prüfen, ob diese für ihren Kontext auch passt. Natürlich gibt es keine Blaupausen, also keine 1:1-Zuweisungen von Methoden zu Faktoren eines Kontexts. Was es jedoch gibt, ist ein relativ einfaches Werkzeug, um in den Dialog mit den Stakeholdern und den Betroffenen zu kommen.

Das Stacey-Chart

Die Bezeichnung ist leider nicht ganz korrekt, wird aber trotzdem regelmäßig verwendet. Ralph Stacey hat verschiedene Managementstile Komplexitätsgraden zugeordnet. Darauf aufbauend haben Ken Schwaber und Mike Beedle in ihrem ersten Buch zu Scrum das Grundmodell des heute gängigen „Stacey-Charts“ adaptiert. Die Zuordnungen von Methoden habe ich ergänzt.

Grundsätzlich hat das Chart drei Achsen: Anforderungen („Was soll getan werden?“), Technologie („Wie soll es umgesetzt werden?“) und Menschen („Wer soll es machen?“). Im Ursprungspunkt der Achsen ist jeweils die absolute Klarheit pro Achse gegeben, an den äußeren Punkten trifft „wir haben keine Ahnung“ den Kern der Sache.

Achse Anforderungen

Im Koordinaten-Ursprung unten links wissen wir exakt, was der Kunde/Markt benötigt und dies wird sich während der Umsetzung des Projekts auch nicht ändern. Am äußersten Ende der Achse (links oben) haben wir keine Ahnung, was der Kunde oder der Markt benötigt. Das müssen wir erst noch herausfinden.

Achse Technologie

Im Koordinaten-Ursprung wissen wir heute schon exakt, wie wir die Anforderungen umsetzen werden. Dies umfasst alle spezifischen Implementierungsdetails. Ganz rechts auf der Achse haben wir so wenig Ahnung über die Umsetzung, dass wir noch nicht einmal die grundlegende Plattform/Programmiersprache/etc. benennen können.

Achse Menschen

Befinden wir uns unten links im Modell, können wir genau vorhersagen, wie sich die Menschen im Verlauf der Zusammenarbeit verhalten werden. Ist unser Kontext hingegen oben rechts einzuordnen, wissen wir nicht, wie sich die Menschen verhalten werden. Vermutlich sind es viele Menschen, die weit über verschiedene Standorte verstreut arbeiten und sich noch nie vorher gesehen haben.

Die vier Felder des Modells

Auf diesen Achsen ergeben sich auf diesem dreidimensionalen Modell dann drei „Kugeln“, die zweidimensional als Viertelkreise dargestellt sind. Links unten befindet sich der „einfache“ Bereich, der sich dadurch auszeichnet, dass eigentlich alles klar und vorhersagbar ist. Daran schließt sich der „komplizierte“ Bereich an, der immer noch mehr Sicherheit als Unsicherheit aufzuweisen hat, jedoch bereits erste erhebliche Unsicherheiten aufweist. Steigt die Unsicherheit auf über 50%, so spricht man vom „komplexen“ Bereich. Hier ist also mehr unsicher und unklar als sicher und klar. Ganz rechts oben befindet sich der „chaotische“ Bereich, in dem nur sehr wenig – oder gar nichts – klar und vorhersagbar ist.

Die richtige Methode finden

Das Stacey-Chart ist nicht „die Antwort“, sondern Grundlage für Diskussionen mit allen Beteiligten. Hier leistet es allerdings hervorragende Dienste. Ein entsprechender Workshop könnte zum Beispiel so strukturiert sein, dass die Moderatorin zunächst das Chart mit seinen Achsen erklärt und dann die Teilnehmer bittet, ihren eigenen Kontext verdeckt (um Anchoring zu vermeiden) zu definieren. Anschließend kann sie die Ergebnisse einsammeln und in einer gemeinsamen Grafik transparent machen. Gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung, so können die Teilnehmer diese diskutieren. Hat man sich geeinigt, so hat die Gruppe eine gemeinsame Wahrnehmung vom Grad der Unsicherheit, in dem sie sich befindet. Daraus folgt, dass bestimmte Ansätze besser oder weniger gut geeignet sind. Beispielsweise macht es wenig Sinn, für ein neues Produkt, das sich noch im chaotischen Raum befindet, einen 18-Monate-Umsatzplan aufzustellen – der wäre gelogen. Auf diese Weise findest du die richtige agile Methode für dein Team – oder sogar einen Methoden-Mix, der gut passt.

Ganz grob kann man jetzt Methoden gegen die Bereiche mappen:

Ist alles vorhersagbar, macht Wasserfall durchaus Sinn. Beispielsweise würde man in einem Produktionskontext eher nicht auf die Idee kommen, Scrum einzuführen. Steigt die Unsicherheit ins Komplizierte hat man die schöne Situation, dass so ziemlich jede Methode funktioniert. Man kann also mit den Teilnehmern die Elemente oder Methoden wählen, die ihnen am sympathischsten sind. Erreicht man die komplexe Welt, so sind empirische Vorgehensweisen, wie zum Beispiel Scrum, unerlässlich. Das ist auch logisch: Hat man mehr als 50% Unsicherheiten, so muss man ständig überprüfen, ob man noch in die richtige Richtung läuft und ob die getroffenen Annahmen korrekt sind. Erreicht man schließlich den chaotischen Bereich, so kann Produktentwicklung nicht funktionieren. Das macht Sinn: Wenn ich nicht weiß, was ich umsetzen möchte und auch nicht weiß, wie die Umsetzung funktionieren soll – was soll dann am Ende dabei herauskommen? Wir befinden uns also im Bereich der Forschung und der Startups. Hier machen Lean Startup, Design Thinking & Co am ehesten Sinn, es gibt aber auch Teams, die hier mit Scrum erfolgreich sind.

Fazit

Die Auswahl der richtigen Ansätze für den eigenen Kontext ist schwierig und nicht durch eine Blaupause möglich. Man muss in den Dialog mit den Betroffenen treten und seinen Ansatz ständig hinterfragen. Wie beim relativen Schätzen ist die Diskussion wichtiger als das Ergebnis. Eine falsche Entscheidung ist nicht schlimm, wenn man sie schnell wieder korrigieren kann.

Viel Erfolg bei deinem agilen Projekt!

Übrigens: Mit unserem Agile Jump Start bringen wir dein Team mit dem richtigen Methoden-Mix blitzschnell auf Kurs.

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