In den bisherigen Beiträgen dieser Reihe haben wir Selbstorganisation vor allem in Drucksituationen betrachtet – auf dem Spielfeld oder bei kritischen Problemen im Unternehmen. Dort zeigt sich besonders deutlich, wie entscheidend es ist, dass Teams handlungsfähig sind, auch ohne direkte Ansage von außen. Aber Selbstorganisation endet nicht bei der operativen Ausführung. Sie beginnt oft viel früher – bei der Planung.
Wer bei Planung nur an Führungskräfte oder TrainerInnen denkt, vergibt eine große Chance. Denn echte Selbstorganisation entfaltet ihre Wirkung, wenn Teams nicht nur umsetzen, sondern mitgestalten: Ziele, Wege, Taktiken.
Planung und Partizipation in Scrum: Vom Abnicken zum Mitgestalten
Scrum bringt Selbstorganisation auf eine klare Formel: Das Team ist nicht nur für die Umsetzung zuständig, sondern auch für die Planung und Priorisierung. Natürlich liegt die Verantwortung für das Produkt beim Product Owner. Wie diese Verantwortung gelebt wird, variiert allerdings enorm.
Einige Teams erleben eine fast klassische Top-Down-Planung: Der PO entscheidet, was zu tun ist, und die Developer setzen es um. Andere nutzen den gesamten Prozess – Planning, Refinement, Review – als gemeinsame Denkwerkstatt. Sie tauschen sich aus, hinterfragen Anforderungen, schlagen Alternativen vor. Entscheidungen sind das Ergebnis eines Dialogs, nicht einer Anweisung. Dabei bleibt der PO Entscheider.
Je mehr ein Team an der Planung auf ein bestimmtes Ziel hin beteiligt ist, desto stärker identifiziert es sich typischerweise mit beidem. Das erhöht nicht nur die Überzeugung vom eingeschlagenen Weg, sondern auch die Fähigkeit, auf Unvorhergesehenes zu reagieren. Denn wer das Ziel verstanden hat, kann einen neuen Weg finden, um es zu erreichen, wenn der alte nicht mehr funktioniert. Wer das Ziel nicht verstanden hat, kann nur den Plan umsetzen, sinnvolle Änderungen sind nicht möglich. So erhöht die frühzeitige Beteiligung des Teams an der Zieldefinition und Planung die Erfolgswahrscheinlichkeit des Vorhabens.
Scrum bietet als Rahmenwerk große Freiheit bei der Nutzung zusätzlicher Praktiken. Zur Verbesserung der frühzeitigen Partizipation haben sich zum Beispiel bewährt:
- Feature-Buddies: Entwickler:innen, die ein Thema eng begleiten, Verantwortung übernehmen und den Dialog mit dem PO suchen.
- Explorationsphasen in Kleingruppen, die Lösungen vorbereiten, bevor das ganze Team einbezogen wird.
- Gemeinsames Stakeholder-Management, bei dem Anforderungen verstanden und priorisiert werden.
Planung und Partizipation im Sport: Vom Spielplan zur Spielidee
Auch im Sport liegt die Verantwortung für die Planung bei einer bestimmten Person, nämlich der Trainerin bzw. dem Trainer. Das heißt allerdings nicht, dass nur TrainerInnen allein planen. Saisonziele, Spielzüge, Taktiken und Aufstellungen werden in vielen Mannschaften gemeinsam erarbeitet. Dabei kann der Grad der Beteiligung ebenfalls stark variieren, abhängig vom Führungsstil der TrainerInnnen und dem Reifegrad der Mannschaft.
In manchen Teams gibt geben TrainerInnen die Taktik vor, und die Mannschaft soll „umsetzen“. In anderen Teams gestalten SpielerInnen aktiv mit: Sie diskutieren Aufstellungen, entwickeln Spielideen, schlagen taktische Anpassungen vor.
Der hohe Grad an Partizipation lohnt sich für die Teams, weil Partizipation zu echter Überzeugung führt. Genau wie in Scrum gilt: Wer selbst an der Planung beteiligt ist, steht hinter der Idee – nicht nur formal, sondern auch emotional. Das erhöht die Bereitschaft zur Umsetzung und die Handlungsfähigkeit in dynamischen Spielsituationen, in denen TrainerInnen nicht eingreifen können.
Kurz gesagt: Partizipation erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass SpielerInnen Verantwortung übernehmen, auf und neben dem Platz, und damit die Erfolgswahrscheinlichkeit der Mannschaft im Wettkampf.
Was wir daraus lernen können
Was Sport und Scrum gemeinsam zeigen
- Partizipation schafft Klarheit: Unterschiedliche Perspektiven helfen, Ziele besser zu verstehen und mögliche Stolpersteine früh zu erkennen.
- Beteiligung erhöht Überzeugung: Wer mitplant, ist nicht nur AusführerIn, sondern MitgestalterIn. Das erzeugt Energie.
- Mitgestaltung stärkt Anpassungsfähigkeit: Wer das Ziel verstanden hat, kann den Plan verändern, wenn Unvorhergesehenes passiert.
- Gemeinsame Planung bringt Exzellenz: Perspektivenvielfalt führt dazu, dass neue Wege in Betracht gezogen werden und innovative Lösungen entstehen.
- Partizipation bedeutet Verantwortung: An der Zieldefinition und Lösungserarbeitung beteiligt zu werden, benötigt eine entsprechende Kompetenz und den Willen, Verantwortung zu übernehmen.
Meine Tipps für dich als Führungskraft
- Plane nicht für dein Team – plane mit deinem Team. Nutze gemeinsame Termine als Denkwerkstatt zur echten Ko-Kreation.
- Gestalte Beteiligung bewusst. Nicht jedes Thema braucht sofort das ganze Team. Wäge Opportunitätskosten ab und baue die Beteiligung schrittweise auf. Lasse Ideen zunächst von wenigen vorbereiten, bevor sie im Team weiterentwickelt werden. Das schützt Ressourcen und erhöht die Qualität der Diskussion.
- Achte auf den Unterschied zwischen Abnicken und Überzeugung. Ziel ist nicht Zustimmung, sondern Mitdenken. Denn nur so entsteht echte Selbstorganisation.
- Partizipation hängt von deinem Verhalten ab. Wer Ideen offen äußern darf und gehört wird, bringt sich eher ein, auf dem Spielfeld wie im Daily. Deine Reaktion als Führungskraft beeinflusst maßgeblich, ob und wie sich Menschen (erneut) einbringen.
- Entwickle die Kompetenz deiner Mitarbeitenden. Gestalte Entwicklungsziele, schaffe Raum und gebe Unterstützung, um eine aktive und produktive Beteiligung deiner Mitarbeitenden zu fördern. Nicht jede Person kann sich von Anfang an gleichermaßen einbringen.
Wir bei ValueRise leben Partizipation, indem wir von der Vision bis zum Sprintziel gemeinsam denken. Jede Perspektive ist gefragt und wird ernst genommen – besonders bei vermeintlich kritischen Themen, wie der Erschließung neuer Geschäftsfelder oder der Wahl eines Kundenauftrags.
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