Früher oder später kommt in jedem agilen Team die Frage auf, wie das Team zu Entscheidungen kommt und wer welche Entscheidungen treffen darf. Es ist wichtig, diesen Rahmen zu klären, so dass es keine Missverständnisse gibt und alle Beteiligten wissen, was in ihrer Entscheidungsmacht steht.

Management 3.0 hat hier ein tolles Werkzeug, das sich Delegation Board nennt. Auf Deutsch also in etwa „Delegationsbrett“. Dies ist die Visualisierung der Entscheidungsthemen, die innerhalb des Teams geklärt sind. In der Regel ist es der:die Vorgesetzte, Chef:in, Teamleiter:in, Manager:in,… (im Folgenden Vorgesetzte) der:die hier Verantwortung an das Team abgibt.

Um über diese Entscheidungsthemen zu diskutieren, ist es zunächst wichtig, dass die Vorgesetzte weiß, welche Themen sie in das Team geben möchte. Beispiele hierfür sind Urlaubsplanung, Teammitgliedschaft (bei neuen Bewerber:innen), oder Ausgaben in einem gewissen Budgetrahmen. Selbstverständlich kann auch das Team Themen vorgeben, die sie definieren wollen.

Dies fördert zum einen die Selbstorganisation des Teams und stützt zum anderen die gemeinsamen Werte.

In Management 3.0 gibt es 7 Delegationsstufen. Diese sind:

  1. Tell / Verkünden: „Ich werde es ihnen sagen“ – die Vorgesetzte entscheidet
  2. Sell / Verkaufen: „Ich werde versuchen, es ihnen zu verkaufen“ – die Vorgesetzte entscheidet und erklärt es danach ihrem Team.
  3. Consult / Befragen: „Ich befrage das Team und entscheide dann“ – die Vorgesetzte fragt das Team nach dessen Meinung und entscheidet danach selbst. Die Meinung des Teams kann sie berücksichtigen, wenn sie das möchte.
  4. Agree / Einigen: „Wir werden uns gemeinsam einigen“ – es ist eine gemeinsame Entscheidung – Vorgesetzte und Team einigen sich auf einen Konsens.
  5. Advise / Beraten: „Ich berate, aber sie entscheiden“ – Das Team holt sich die Meinung der Vorgesetzten, entscheidet dann aber selbst. Dabei kann es diese Meinung berücksichtigen, wenn es dies möchte.
  6. Inquire / Erkundigen: „Ich werde mich erkundigen, nachdem sie sich entschieden haben“ – Das Team entscheidet etwas und erzählt der Vorgesetzten im Nachgang, wie sie entschieden haben und was die Argumente dafür waren.
  7. Delegate /Delegieren: „Ich werde vollständig delegieren“ – Die Vorgesetzte wird in den Entscheidungsprozess nicht eingebunden, das Team entscheidet selbst. Die Vorgesetzte erfährt maximal das Ergebnis.

Zwar haben wir bislang vom „Team“ als Empfänger der Macht gesprochen, jedoch kann die Chefin statt an das komplette Team auch an eine Untergruppe oder auch eine einzelne Person delegieren. Idealerweise berücksichtigt man dies beim Erstellen des Delegation Boards, sodass für alle Beteiligten klar ist, was gemeint ist. Grafische Darstellungen für die Machtempfänger haben sich auf dem Board bewährt.

Als Beispiel: Bei der Urlaubsplanung entscheidet im Regelfall jede Person für sich allein. Wenn es allerdings um ein neues Teammitglied in der Probezeit geht, entscheidet das Team als Ganzes.

Je nach Rahmen der Firma, der Abteilung und des Teams können Inhalte und Aussehen des Delegation Boards sehr unterschiedlich ausgestaltet werden.

Das Delegation Poker

Um zu einer Entscheidung über die Delegationsstufen in den einzelnen Punkten zu kommen, spielt das Team „Delegation Poker“. Jedes Teammitglied erhält die Delegationskarten von 1 (sell/verkaufen) bis 7 (delegate/delegieren).

  1. Eines der Teammitglieder oder auch die Vorgesetzte erklären den zu definierenden Punkt so, dass alle Beteiligten verstehen, um was es geht. In der Regel übernimmt dies die Person, die den Punkt aufgebracht hat.
  2. Jeder überlegt für sich, welche Delegationsstufe in dem Fall passen würde, und wählt dazu passend verdeckt eine der Delegationskarten aus. Die Methode erfordert in diesem Moment ein „Poker Face“ von den Teilnehmern.
  3. Wenn alle ihre Karte ausgewählt haben, werden diese umgedreht und verglichen.
  4. Die Personen mit der höchsten und der niedrigsten Karte sprechen, weshalb sie sich so entschieden haben. Die Chefin als verantwortliche Machtinhaberin darf ihre Meinung immer kommunizieren.
  5. Dies wird maximal dreimal wiederholt. Gibt es bis dahin keinen Konsens, entscheidet die Chefin.

Keine Machtinhaberin kann gezwungen werden, mehr Macht abzugeben, als sie abgeben möchte oder kann. Es hat sich bewährt in solch einem Moment darüber zu sprechen, was für die Machtinhaberin nötig wäre, um in Zukunft mehr Verantwortung an das Team zu übergeben. So entstehen Klarheit und eine Perspektive für alle Beteiligten.

Ein Beispiel

Wenn die meisten Teammitglieder die Delegationskarte „4 – agree/einigen“ gewählt haben, aber je eine Person „3 – consult/befragen“ und „5 – advise/befragen), dann sprechen diese beiden Personen über ihre jeweiligen Gründe. In einem zweiten Durchgang könnte es nun sein, dass die Person mit der „3“ auf eine „4“ wechselt, vielleicht aber ein der bisherigen „4er“ zur „5“ wechselt. Nun tauschen sich ein „4er“ und ein „5er“ über ihre Gründe aus. Im dritten Durchgang verbleibt nun möglicherweise noch eine „5“, alle anderen sind auf die „4“ gewechselt oder dortgeblieben. Die Chefin ist ebenfalls bei „4“. Die Entscheidung lautet daher „4“ und wird auf dem Delegation Board festgehalten.

Und weiter?

Nach der Einigung ist es sinnvoll die getroffene Entscheidung festzuhalten. Dies kann beispielsweise eine Tabelle in einem Team-Wiki sein oder ein Plakat im Teamraum. So haben alle die Möglichkeit, die aktuell geltenden Delegationsregeln einzusehen.

Es ist sinnvoll, immer dann neue Punkte aufzunehmen, wenn festgestellt wird, dass Entscheidungen in diesem Bereich nicht funktionieren oder wiederholt diskutiert werden. Dies kann aus dem Team kommen oder von der Vorgesetzten. Falls es Themen gibt, die aufgrund oder trotz der Regelungen auf dem Delegation Board nicht (mehr) funktionieren, muss auch hier erneut darüber gesprochen und ein neues Delegationslevel vergeben werden.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Personen innerhalb des Teams wohler fühlen, wenn sie ihre Grenzen kennen und sich innerhalb dieser bewegen können. Sie wissen dann genau, welche Entscheidungen sie für sich selbst treffen können und wo sie ihr Team oder ihre Vorgesetzte brauchen. Die Vorgesetzte wird entlastet, indem ihr Team gewisse Entscheidungen übernimmt. Dies erfordert Vertrauen von allen Seiten. Oftmals wird mit der Zeit klar, dass noch mehr Entscheidungen ins Team verlagert werden können und dies für alle Beteiligten erstrebenswert ist.

… und noch mehr Infos

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