Product Owner sind zentrale Spieler im Scrum Framework. Sie entscheiden, was entwickelt wird – und sind somit maßgeblich dafür verantwortlich, ob überhaupt etwas Wertvolles entsteht. Doch während viele Product Owner sich redlich bemühen, sehen wir in der Praxis immer wieder dieselben Muster: Produkte werden zu spät geliefert, gehen am Bedarf vorbei oder entwickeln sich ins Beliebige. Meist liegt die Ursache nicht im Team, sondern an einer schwach ausgefüllten Product-Owner-Rolle. Dieser Artikel beschreibt, woran du einen guten Product Owner erkennst.
Symptome ineffektiver Product Owner
Ineffektive Product Owner erkennt man oft an diesen fünf Verhaltensweisen:
1. Fehlende Produktvision
Ohne klare Richtung wird das Product Backlog zur Feature-Sammlung. Wenn nicht klar ist, warum ein Produkt existiert, welche Nutzer es adressiert und wie Erfolg aussieht, verliert sich das Team in endlosen Detaildiskussionen. Mangels „Purpose“ geht die Motivation dann gleich mit über Bord.
2. Stakeholdergetrieben statt kundenorientiert
Ineffektive Product Owner reagieren auf Wünsche aus dem Umfeld, ohne diese kritisch zu hinterfragen. Es wird umgesetzt, was „von oben“ kommt, statt sich konsequent an Nutzerbedürfnissen zu orientieren. Das Produkt verkommt zum Wunschzettel interner Leitungsfunktionen, ohne Marktchancen zu ergreifen.
3. Unklare oder nicht existente Wertdefinition
Features werden priorisiert nach Bauchgefühl, Dezibel oder Hierarchieebene des Stakeholders – aber nicht nach messbarem Wert (Value). Ohne Wertverständnis bleibt jede Entscheidung beliebig. Dazu gehört auch, dass nur gut verstandene und vor allem quantifizierte Wertangaben dazu geeignet sind, Entscheidungen zu leiten.
4. Verfolgung des einen richtigen Weges
Die Definition und Verfolgung eines Zieles ist gut. Anzunehmen, es gäbe nur genau einen Weg zu diesem Ziel, ist es nicht. Scrum wird im komplexen Bereich eingesetzt, also dort, wo Unsicherheit vorherrscht. Versteift sich ein Product Owner auf „seinen“ Weg, läuft er Gefahr, Kundenfeedback zu spät einzuholen oder sogar ganz zu ignorieren und am Ende ein Produkt zu liefern, das niemand haben möchte.
5. Schlechte Kommunikation und wenig Präsenz im Team
Ein PO, der selten da ist, Meetings schwänzt oder sich nur auf E-Mails beschränkt, verpasst den wichtigsten Teil seiner Arbeit: Zusammenarbeit. Ohne aktiven Austausch entstehen Missverständnisse, Reibungsverluste – und schlechte Produkte.
Diese fünf Verhaltensweisen führen in der Praxis dazu, dass das Refinement nicht funktioniert. Wenn das Refinement schwach ist, arbeitet das Scrum Team oft an den falschen Dingen. Es fehlt die gemeinsame Ausrichtung, das Verständnis für das „Warum“ – und letztlich geht dem Unternehmen konkreter Wert verloren.
2. Was ist Refinement eigentlich?
Refinement ist der kontinuierliche Prozess der Pflege des Product Backlogs. Es liegt in der Ergebnisverantwortung des Product Owners – und ist einer der wichtigsten Bausteine für erfolgreiche Produktentwicklung.
Ein Product Backlog Item (PBI) ist dann fertig „refined“, wenn es von den Entwicklern im Sprint Planning in den Sprint übernommen werden kann. Das bedeutet: Es ist klar genug, verstanden, machbar, geschätzt und sortiert.
Refinement ist kein einzelnes Meeting, sondern ein laufender Prozess, der parallel zum Sprint abläuft – und vom PO gesteuert wird.
Dabei arbeitet der Product Owner auf zwei Ebenen:
1. Außen: Arbeit mit Stakeholdern und Kunden
-
Neue Ideen generieren
-
Nutzerfeedback einholen
-
Geschäftsziele verstehen
-
Hypothesen formulieren
2. Innen: Arbeit mit dem Entwicklungsteam
-
Verständnis herstellen
-
technische Risiken und Machbarkeit prüfen
-
Schätzungen einholen
-
Akzeptanzkriterien schärfen
Das Refinment ist dabei nicht als linearer Prozess, sondern als ein zyklisches Vorgehen zu verstehen, bei dem sich beide Ebenen gegenseitig beeinflussen. Ein PO, der sein Refinement meistert, sorgt dafür, dass immer ausreichend gut vorbereitete Einträge im Product Backlog bereitstehen – und dass diese die größten Werthebel im System adressieren.
3. Fünf Merkmale eines exzellenten Product Owners
Was macht einen exzellenten Product Owner aus? Die folgenden fünf Eigenschaften geben Orientierung:
1. Eine klare, inspirierende Produktvision
Exzellente POs wissen, wohin die Reise geht – und können dieses Ziel so formulieren, dass es im Team Resonanz erzeugt. Die Vision ist nicht nur ein Poster an der Wand, sondern Orientierung im Alltag. Sie hilft beim Nein-Sagen, beim Priorisieren, beim Durchhalten. Alle Entscheidungen werden gegen die Vision geprüft und verleihen ihr so Bedeutung im Alltag.
2. Radikaler Kunden- und Nutzerfokus
Der exzellente PO hört nicht nur Stakeholdern zu, sondern sucht aktiv Kontakt zu den Nutzern. Er versteht ihre Herausforderungen, beobachtet sie in der Nutzung des Produkts und prüft regelmäßig, ob das Produkt ihre Probleme wirklich löst. Der Nutzer ist nicht das Ende der Kette – sondern der Anfang. Gut gemeinte Ideen der Stakeholder werden stets dahingehend hinterfragt, welchen Effekt sie für die Nutzer haben.
3. Ein klares Verständnis von Wert
Gute Product Owner entscheiden auf Basis von klaren Kriterien für Wert. Diese unterscheiden sich sehr stark von Produkt zu Produkt und fokussieren typischerweise darauf, was der Nutzer durch die Nutzung des Produktes für sich erreicht. Features stehen also nicht im Vordergrund, sondern persönliche Wertdefinitionen wie Zeitersparnis, Nostalgie oder Zugang. Gute Product Owner quantifizieren Wert, machen ihn dadurch messbar und priorisieren konsequent danach. Ihre Entscheidungen sind dadurch nachvollziehbar und evidenzbasiert.
4. Denken und Handeln in Experimenten
Exzellente POs entwickeln keine Masterpläne, sondern arbeiten iterativ und hypothesengetrieben. Sie denken in Experimenten, lernen systematisch und passen das Product Backlog entsprechend an. Erfolg wird nicht vorausgesetzt, sondern validiert.
5. Transparente Kommunikation in alle Richtungen
Ob gegenüber Entwicklern, Stakeholdern oder Kunden – gute Product Owner kommunizieren klar, offen und regelmäßig. Sie stellen sicher, dass alle Beteiligten die gleichen Ziele verfolgen. Konflikte werden angesprochen, Entscheidungen erklärt, Verantwortung geteilt. Es gibt niemanden im Umfeld des Scrum Teams, der nicht weiß, warum wann woran gearbeitet wird – und woran nicht.
4. Fazit: Woran du einen guten Product Owner erkennst
Ein guter Product Owner ist kein Projektmanager, kein Anforderungsmanager und kein Stakeholder-Wunscherfüller. Er ist Wertoptmierer im Zentrum zwischen Nutzern, Stakeholdern und Entwicklern. Wer diese Rolle exzellent ausfüllt, sorgt für Klarheit, Richtung und Fokus im Team. Und das spürt man – nicht nur im Produkterfolg, sondern auch in der Motivation der Beteiligten. Schlechte POs kosten Zeit und Geld. Gute POs schaffen Fokus, Orientierung und echten Fortschritt. Refinement ist dabei der entscheidende Hebel.
5. Drei Interviewfragen, mit denen du gute Product Owner erkennst
Wenn du auf der Suche nach einem neuen Product Owner bist (und diesen nicht von ValueRise Consulting mieten möchtest), können dir vielleicht die folgenden Fragen helfen:
-
„Wie priorisierst du das Product Backlog? Erkläre deine Vorgehensweise anhand eines konkreten Beispiels.“
→ Zeigt, ob Wertverständnis und Priorisierungskompetenz vorhanden sind. Zusätzlich können hier Kommunikationsfähigkeiten dargestellt werden, denn die Priorisierung ist ja nicht mit der Entscheidung abgeschlossen, sondern erst mit der Akzeptanz durch die relevanten Stakeholder. -
„Erzähle von einem Featurewunsch, den du abgelehnt hast – und warum.“
→ Zeigt, ob der PO in der Lage ist, „Nein“ zu sagen und Entscheidungen zu begründen. Auch der Fokus auf den Nutzer statt auf „laute“ Stakeholder wird illustriert. -
„Wie misst du, ob ein entwickeltes Feature erfolgreich war?“
→ Zeigt Denken in Wert und Wirkung, nicht nur in Output. Außerdem wird hier geprüft, ob Wert quantifiziert wird.